Donnerstag, 23. Juli 2015

Eine Meinung zum 30 Kilometer entfernten Karlsruher Urteil

Vorgestern wurde das Betreuungsgeld gestoppt. Und ich hatte sofort gesagt, dass ich meine Meinung dazu hier kundgeben werde. Allerdings fällt es mir schwer. Denn als Befürworterin und auch drei Monate Bezieherin der 150€ ist es wohl ersichtlich, wie ich, beziehungsweise unsere ganze Familie, dazu stehe / steht. Wäre es nach mir und unserer Familie gegangen, hätte ich es wohl auch noch länger genutzt. Allerdings galt es eine Entscheidung zwischen Studium, Familie, Haushalt zu fällen. Sie wurde zugunsten aller getätigt. Morgens Kita und für mich Studium. Mittags und am Wochenende Familienzeit. Natürlich mal mehr, mal weniger. Ich werde sowohl emotionale, persönliche Argumente hervorbringen (die aber oft wissenschaftlich bestätigt wurden) und auch politische. Wer keine Lust hat, eine weitere Meinung zur "Herdprämie" zu lesen, darf den Text natürlich überfliegen, sich die Bilder anschauen, einen anderen Beitrag verschlingen oder natürlich das (X) drücken. Ich freue mich aber über eure Meinungen, vielleicht ähnliche, vielleicht abweichende. 


Mit einem Freund der Familie hatte ich bestimmt zig mal die Diskussionen um die sogenannte Herdprämie. Er sieht sich auf Seiten der Verfassungsrichter, ist allerdings kinderlos und auch schon älter. Ich stecke mitten in einer Familiensituation, welche wie gesagt vom Betreuungsgeld profitierte und dieses als Anerkennung für ihre Leistungen gerne annahm. Mit Freundinnen aus einem Babykurs hatten wir gehofft, dass das Betreuungsgeld vielleicht weiterhin steigen würde als richtige Anerkennung der Berufung Mutter, welche so viel mehr macht, als nur am Herd zu stehen. Wie ihr sehen könnt, finde ich diesen Begriff einfach abfällig. Eltern wissen, wie viel Arbeit ein Kind erzeugen kann, und teilweise weiß ich nach einem Mama-Kind-Tag auch nicht, wo mir der Kopf steht. Es ist anstrengend: physisch und psychisch und es raubt Kräfte. Aber es ist gleichzeitig die wertvollste Arbeit und die mich am zufriedenstellendste. Das einzige was fehlt, die Anerkennung der Gesellschaft. Und da war das Betreuungsgeld wenigstens ein klitzekleiner Ausgleich. Wenn wir bei unserer Familie sind, und diese oft nach 10 Minuten mit der Kleinen toben total am Ende sind oder wenn ich meine Mutter höre, wie sie meint, dass sie nicht einmal weiß, wie sie vier Kinder aufgezogen hat, bekomme ich Respekt vor meiner Aufgabe. Mutter sein ist ein Geschenk, aber eine riesige Verantwortung. Erzieher können davon nur singen. 

Argument: Mutter sein ist mehr als Heimchen am Herd. Es bedeutet Verantwortung zu übernehmen und Stress. Eine kleine Entlohnung als Ausgleich für die Akzeptanz der Mutterrolle, das war das Betreuungsgeld. 



Es gibt Studien und dies lernt man auch beispielsweise in Pädagogik, dass es für die spätere Beziehung wichtig ist, als Mutter anwesend zu sein. Auch als Vater. Zumindest eine Bezugsperson zu haben. Alleine die Eingewöhnung in die Kita hat uns gezeigt, wie schwierig es war, sich voneinander zu trennen (bei uns sind es sechs Stunden am Tag). Und hätte es noch länger gedauert, hätte ich die Kleine wieder rausgenommen. Ganz wichtig war mir auch, unsere Kleine erst in die Kita zu geben, wenn ich spüre, dass sie dafür bereit ist und sich verständigen kann. Mütter haben ein gewisses Verständnis für die Kinder, sowohl für die Töne, als auch für die Sprache. Oftmals fragen mich Menschen aus dem Umfeld, was meinte sie gerade, was möchte sie? Oder mein Mann meint manchmal: deine Mama weiß eben was du benötigst. Wieder einmal hat nur sie dich verstanden. Wir haben unsere Kleine also erst in die Kita geschickt als die Beziehung zu uns gefestigt war, und sie soweit selbstständig, dass niemand sie unterbuttern konnte. Das klingt jetzt natürlich sehr merkwürdig. Allerdings war es mir, beziehungsweise uns, wichtig, dass die Kleine ihren Charakter behielt und selbst experimentieren kann, welchen Weg sie einschlagen wird. In Foren liest man oft von den "gleichmachenden Kindereinrichtungen", von dem "Verlust der eigenen Meinung". Ich glaube, wir hatten großes Glück mit unserer Kita. Und vor allem 30 Stunden sind schon viel für uns, aber noch genug, um wichtige Zeit mit der Kleinen zu verbringen (im Übrigen bekomme ich keine Kinder um sie abzugeben, ich will alles selbst erleben). 

Argument: das Betreuungsgeld hilft Familien die Beziehung zwischen Eltern und Kind zu vertiefen. Eine Beziehung von wahnsinniger Relevanz für später (auch wissenschaftlich belegt). Wenn man sie als quality time nutzt. 


Des Weiteren heißt es oftmals, dass hauptsächlich Eltern mit Migrationshintergrund oder Eltern, welche der Oberschicht (4000€ im Monat plus) angehören, das Betreuungsgeld in Anspruch nahmen. Dies kann sein. Ich zähle mich aber nicht dazu. Ich glaube auch, was dadurch oft intendiert wird, dass unsere Kleine die Sprache und Soziales anders erlernen konnte. Auch Mütter / Väter, welche Betreuungsgeld in Anspruch nehmen, kümmern sich gerne um das Kind. Sie nehmen das Betreuungsgeld nicht unbedingt als Faktor Geld in Anspruch und parken das Kind vor dem Fernseher, machen sich ein schönes Leben davon. Wir haben von dem Betreuungsgeld oftmals Babykurse für unsere Kleine bezahlt. Von Fitdankbaby, über Pekip, über Tanzkurse. Meistens mit Verlusten. Oder auch Berge von Büchern, welche wir ihr vorlesen. Für das Sprachverständnis, für das Verständnis für Situationen (zum Zahnarzt gehen, krank sein, etc). Sie hat gesehen, wie wir kochen, putzen, etc. Dies sind auch relevante Dinge. Ich kenne auch Frauen, die über das dritte Lebensjahr hinweg bei den Kindern bleiben möchten, weil sie ihre Kinder auf ihrem Weg begleiten und diese individuell fördern möchten. 

Argument: das Betreuungsgeld kann auch sinnvoll verwendet werden. Auch zuhause können Kinder gefördert werden. Sogar individuell und auf das Kind zugeschnitten. 


Mein Bekannter sagt immer, das Betreuungsgeld stellte eine Zahlung dar, welche man bekommt um das Kind nicht in die Kita zu schicken. Also eine Zahlung für die Nichtinanspruchnahme eines Kitaplatzes. Ja, das ist richtig so. Nur 1. Gibt es hier zum Beispiel nicht genügend Kita Plätze. Wir hatten, als das Gesetz für den Ausbau dieser eingeführt wurde, in unserer Stadt die schlechteste Startposition in unserem Bundesland. Eine Versorgung von 17% war sichergestellt. Eltern meldeten die Kinder noch vor der Geburt an. Dies ist zwar mittlerweile leicht gestiegen, doch trotzdem gibt es hier nicht genügend Plätze. Ja, man kann dafür die Kommune verklagen. Das hilft aber auch nicht weiter, wenn man eine halbe Stunde aufs Land fahren muss. Zumindest uns nicht. 2. Ein Kitaplatz kostet wesentlich mehr. Wir haben seitdem wir das Betreuungsgeld nicht mehr bekommen über 300€ weniger im Monat, trotzdem deckt dies nicht den Betrag, den eine Kita wirklich ausgibt. 3. Wenn das Bundesverfassungsgericht beschließt, dass die Gesetzgebungskompetenz bei der Thematik "Betreuungsgeld" nicht beim Bund liegt, sondern in der Bundesländern, gilt das Gleiche dann nicht auch für den Kita Ausbau? Hmm. Eigentlich schon. Denn die Kommunen zahlen ja auch dafür, wenn in der Kita gestreikt wird, oder wenn man keinen Platz findet um das Kind unterzubringen. 4. Ist es nicht ungerecht, dass es nun in Bundesländern, wie Bayern, das Betreuungsgeld geben wird, hier aber zum Beispiel nicht? Ich finde schon. 

Argument: Die Begründung des Bundesverfassungsgericht geht mir nicht weit genug. Allerdings ist sie (leider) richtig. 



Fazit: ich finde es schade, dass Familien, welche 150€ gerne in Anspruch genommen haben, über einen Kamm geschert , dass wissenschaftliche Studien oftmals unter den Tisch gekehrt werden, Kinder und Familien eher wirtschaftlich betrachtet werden. Ich finde es schade, dass "Familie", so wie sie schon immer bestand, immer weniger als Familie gesehen wird. Ich genieße die Früchte, die uns der Feminismus brachte, Frauenarbeit, Wahlrecht, Bildung, allerdings sehe ich auch die Gefahr, dass Frauen und Familien zu sehr in diese Ecke gedrängt werden. Das Betreuungsgeld half oftmals dabei, dass Frauen auch für ihre Kinder da sein konnten, half also bei der Wahlfreiheit zwischen Job und Familie. Diese wird immer mehr abnehmen. Vielleicht nicht in allen Fällen, aber in einigen. Ich hoffe auch, dass das "freigewordene" Geld im nächsten Haushaltsplan allen Familien zugute kommt, am liebsten wäre mir, wenn das Kindergeld vielleicht um mehr als 2, bzw. 6 Euro, steigen würde. Das wäre dann eine größere Anerkennung, als wenn man das Geld nur in Kitas steckt. Denn davon haben auch Kinder, welche zuhause erzogen werden, wenigstens ein Bilderbuch, eine CD oder einen Ausflug mehr. 

Herzlichst, eure Ephi 

Schnittmuster: Martha in Größe 36, Beinkleid von Milchmonster in Größe 36
Stoff: Sommersweat in oliv und Ringeljersey in moos / oliv und schwarzer Jersey von Lillestoff
(Bitte nicht wundern, wegen der "Flecken", das sind nur meine nassen Haare :D) 

Ab damit zu RUMS!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ihr Lieben, ich freue mich über jeden Kommentar. Egal, ob abweichende Meinung oder unterstützende. Ich freue mich auf Kommentare zu meinen Nähwerken und zu meinen Texten. Ich versuche zu antworten und dabei nett zu sein. Egal, ob Freund oder fremd.