Donnerstag, 27. August 2015

This is Not okay.

Wieder ein Thema, über welches ich nie sprechen wollte. Ich mag nämlich diese Besserwisserei und das Aufdrängen von den sogenannten Gutmenschen nicht. Und trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie auch ich mich manchmal ein wenig über den Konsum von Familie und Freunde "erstaunt" bin. 


Das ist aber eher allgemein gehalten. Denn, was bringt es mir in höherwertigen Klamottenläden, anstatt beim Modeschweden einzukaufen, wenn die Qualität ähnlich, nur die Gewinnmarge höher und das Einkaufsfeeling angenehmer ist. Die Kleidung reist an ähnlichen Stellen. Und zwar nicht die Naht, sodass ich es auch nicht mehr reparieren möchte. Schuhe, Kleidung. Alles nach einem Jahr abgelaufen, abgetragen. Von dem Kleidungsladen mit den großen braunen Papiertüten möchte ich überhaupt nicht sprechen. Das hält ja nicht mal ein Jahr. Und wenn man einmal gesehen hat, wie sich die Menschen auf die Regale stürzen. Man könnte glauben, es würden schlechte Zeiten kommen. Das bedeutet nicht, dass ich es als schlimm beurteile, dass Menschen in diese Läden rennen, aber braucht man wirklich jeden Monat so viel Neues? Würden wir uns alle etwas zügeln, wäre viel geholfen. Und ich zügel mich dadurch, dass meine Größe nach der Schwangerschaft etwas anstieg und ich dadurch einkaufen hasse. Weil mir nie etwas optimal passte. Selbstnähen ist mein Credo und dabei Bio, weil es die drei Euro wert sind. Alleine wegen der Qualität des Stoffes.



Kurzer Diskurs: Das Gleiche gilt meiner Meinung nach auch beim Fleisch essen. Und ich liebe Fleisch. Ich liebe es im Sommer mit der Familie oder Freunden ein saftiges Steak zu grillen und dies zu feiern. Aber, ich und eine Freundin haben bemerkt wir essen zu viel Fleisch. Es ist ja auch die Wurst, und Weiteres. Meine Freundin hat beschlossen, ganz aufzuhören. Sie meinte, vielleicht nicht für immer. Aber bei ihr geht nur ganz oder gar nicht. In unserer Familie haben wir es einfach reduziert. Ich esse auch mal Vegane Wurst, was alle dämlich finden. Ich bin aber nicht auf die Vegane Wurst gekommen weil ich den Geschmack nicht mag. Wie gesagt, ich liebe ihn. Trotzdem haben wir das Gefühl reicht zweimal die Woche richtig Fleisch essen aus. Atilla Hildmann meint in der Einleitung seines Buches: "Es geht nicht darum 100% vegan zu essen, sondern einfach darum, einen Anfang zu machen. Man mag vielleicht meinen, dass man damit nichts bewirkt. Das stimmt aber ganz und gar nicht (...)" (Hildmann: Vegan For Fun, S. 17). Das Gleiche gilt für mich auch für den Klamottenkauf bzw. die -herstellung (Zitat Lillesol & Pelle: Kleinvieh macht auch Mist!)


Als ich von der Aktion hörte, also von "This is Not okay", und auch vorher schon, machte ich mir Gedanken um gewerbliches Nähen. Insgeheim fragte ich mich aber, wer kauft ein Oberteil aus einem Stoff und wenigen Nähten für 15€ plus Arbeitszeit der Näherin? Freunde von mir meinten, das machen welche. Natürlich. Aber ein Kleid für 40€? Auch. Denn so viel teurer als "bessere" Marken im Verkauf ist das Selbstnähen auch nicht. Außer man rechnet eben die Zeit, die dafür benötigt wird, mit ein. Schätzungsweise drei Stunden sitze ich an einem etwas aufwändigeren Oberteil / Kleid. Also rechnen wir circa 25€ auf den oben genannten Preis drauf. Und wer kauft das?
An einem Shirt im normalen Verkauf gehen 25 ct an eine Näherin, an einem Fair Trade 45 ct. Klar, sie müssen vielleicht nicht die Teile zuschneiden, was bei mir am längsten braucht, aber es benötigt trotzdem mehr Zeit als 25 / 45 Cent. Als ich dies letztens las und auch in einem Gespräch mit einer angehenden Modedesignerin über die Textilindustrie sprach, meinte sie, sie möchte überhaupt nicht mehr in dieser arbeiten. Nicht nur, weil als Standardgröße die 36 gilt, sondern weil die Industrie nach noch billigeren Arbeitsverhältnissen sucht, Bangladesch den Rücken kehrt, da ihnen der dortige Mindestlohn von 75 Euro zu hoch scheint. Auf zu neuen Ufern. Afrika. 


Worüber machte ich mir noch Gedanken? Einen Aspekt möchte ich noch erwähnen. Kinderarbeit und gesundheitliche Folgen. Würdest du dies deinem Kind zumuten wollen?! Ich weiß noch, wie ich eine teure Markenjeans nach der Schwangerschaft in einem Outlet kaufte und nach mehrmaligem Waschen und Lufttrocknen der chemische Geruch immer noch an der Hose klaffte. Da registrierte ich, dass diese Jeans mit Giftstoffen bespickt war und schmiss sie eiskalt in den Müll. Sauer, weil ich sie auch noch gekürzt hatte. Ihr seht, es ist egal, welches Label dahinter steckt. 


Ich möchte nicht bekehren, war aber trotzdem froh, als ich von der Aktion hörte, kaufte Stoffe und Schnittmuster. Beschloss mir viel Zeit für die Kleidung und das Fotografieren zu nehmen. Denn nebenbei wartete die Zusammenfassung meines Studiums. Ich finde nur, man sollte sich auch dafür interessieren, wie man anderen Menschen mit dem eigenen Konsumverhalten schaden kann (wobei schaden das falsche Wort ist, denn trotz alledem sind die Näherinnen froh, dass sie arbeiten können). Und wie man vielleicht ein wenig für die Umwelt machen kann. Wenn man es wirtschaftlich betrachtet, arbeitet die Textilindustrie natürlich hervorragend. Wahrscheinlich könnte es noch mehr Einsparungen geben. Wenn man sich aber genauer mit der Materie beschäftigt, dann geht einem genau diese wirtschaftliche Härte sehr nah. This is not okay!




Dass ich keine Schuhe und keine Accessoires trage ist vielleicht auch schon aufgefallen. Aber bei der Aktion geht es wirklich darum, dass alles nur Fair Trade ist. Und ich mit meinen Mini Füßen finde sowieso nur ganz schwer Schuhe. Deshalb lasse ich sie weg, bevor ich mir einen Fehlkauf erlaube und sie dann wieder aussortieren muss. Ich bin keine Schuhsammlerin, habe immer ein Sommerpaar, Stiefel und Sportschuhe zuhause. Aber nur zwei schicke. Das zeigt, dass ich Schuhe kaufen wirklich abgrundtief hasse. Und Schmuck sieht man an mir auch äußerst selten. Seit der Geburt der Kleinen. Sie steht auf alles, was glitzert und baumelt und aus Angst um meine Ketten und meine Ohren habe ich ihn nur noch bei Festlichkeiten an. Geschminkt bin ich übrigens auch nicht - liegt aber eher daran, dass ich es nicht richtig kann. Ich benutze nur natürliche und vegane Kosmetik. Kam plötzlich so. Da ich nur Feuchtigkeitscreme und diesen Quatsch benutze, und kein Interesse habe mir Bausilikon oder anderes Gift auf die Haut zu schmieren, bleibe ich auch dabei. Denn auch hier gilt: "Kleinvieh macht auch Mist". Eine Creme kann ja unter dem vorgegebenen Richtwert für eine schädliche Substanz sein. Nimmt man zwei übersteigt es diesen.


Jetzt klinge ich doch wie ein Gutmensch. Okay, vielleicht bin ich es in manchen Aspekten. Ich gestehe, ich habe ein Abonnement der Ökotest um unserer Familie ein wenig Gutes zu tun und anderen damit auch. 

Herzlichst, eure Ephrata. 

Schnittmuster: Frau Fannie in Größe S von Schnittreif. Beinkleid in Größe 36 von Milchmonster
Stoff: Sweat Slanted Stripes in grau-schwarz von Käpynen und schwarzer Jersey von Lillestoff 

Wie immer noch ganz kurze Informationen zu der Kleidung. Das Beinkleid habe ich ja hier und hier und hier schon einmal genäht, und auch meine Mutter bekam eins geschenkt. In verschiedenen Längen und mit verschiedenen Aufpepp-Möglichkeiten ist es für mich der Leggingsschnitt überhaupt. Nach einem Mal nähen ist das Beinkleid dann auch innerhalb von 30 min fertig. Ich habe das Beinkleid, welches ich für meine Mutter genäht habe, ausgeliehen. Liebe Mama, du bekommst es dann nach der Prüfung!
Frau Fannie habe ich zum ersten Mal genäht, und ich war davor auch ziemlich aufgeregt. Mein allererstes Kleid! Ich wollte einfach, dass es mir steht und dass alles klappt. Wer will denn auf Fotos in nem Katalog herausstechen, als WorstCase- bzw. BadTaste-Blogger? Mit der Größe war ich mir wirklich unsicher. S oder M? S oder M?! Ich habe S gewählt. Schließlich ist Sweat dehnbar. Ich habe immer wieder daran gewerkelt. Zumindest ab dem Tag, an welchem mein Stoff ins Haus flatterte (da mal wieder kein Kärtchen im Briefkasten war, wo ich mein Paketchen finde, war ich fünf Tage im Verzug!) Jeden Tag ein Stück weiter. Um mich zu belohnen. Für den Lernstress. Und das ziemliche Nähverbot. Ich hoffe es ist mir gelungen. Ich habe kein Halsbündchen an das Kleid genäht, sondern einfach den Ausschnitt umgeschlagen und gesäumt. Mir gefällt das Ganze so wirklich ganz gut! Und auch S passt :)!

Neben der Linkparty von Mamimade, hüpfe ich auch noch schnell zu RUMS und grüße meinen Vater zum Geburtstag!

Dienstag, 25. August 2015

Andere Länder, andere Familienpolitik #6 [Urlaubserfahrungen: eine Ostseerundreise]

Eigentlich ist es sehr passend euch von unserem letzten Urlaub zu erzählen, denn gerade sind Kita Ferien, in Baden Württemberg allgemein Sommerferien und er ist exakt ein Jahr her. Dieses Jahr mussten wir unseren Urlaub in den Herbst verschieben. Das liegt daran, dass mein Mann seine Bachelor Thesis schreibt und ich Anfang September meine nächste große Prüfung.
Um gedanklich kurz ein wenig davon abzuschweifen, und weil ich euch mal ein paar "frische" Eindrücke zum Thema bieten wollte und nicht nur altgediente Länder, werde ich euch kurz und knackig von unserer Ostseerundreise berichten und wie es, was den Luxus für Familien anging, erst bergauf und dann bergab ging. 


Abflughafen FFM:
Morgens früh mit einem 10monatigen Baby nach FFM gefahren zu werden ist nicht allzu prickelnd. Aber es funktionierte alles ganz einfach. Bis auf diese unendlich langen Wege. Der Lärmpegel um einen herum und dieses ganze Flughafenchaos, welches mich selbst zwar immer ins Fernweh bringt und zum Lächeln (ich mag dieses Treiben), aber ein Kind ganz schön irritiert. Eine ruhige Ecke wäre schön gewesen. Zum Stillen und Beruhigen. Wickeln ging ja noch. Das durften wir am Tallinner Flughafen lernen. Okay, FFM ist ein Dreh- und Angelkreuz, was Europa und die Welt angeht und wir hätten uns ja auch einen kleineren Flughafen aussuchen können, aber es war nun mal nicht möglich.
Im Flugzeug selbst hatten wir die erste tolle Bewegung mit den Schweden. Ein junger Kerl, etwas älter als mein Mann, bot unserer Kleinen Kopfhörer an, damit sie die Rotorengeräusche ausschalten konnte. Sie wollte nicht. Aber eine nette hilfsbereite Geste. 


Stockholm / Schweden:
Stockholm ist eine Traumstadt. Nicht nur, was die Entdeckungsmöglichkeiten, Restaurants und Luft angeht, sondern auch die Kinderfreundlichkeit. Ich kann wirklich jeder jungen Familie diese Stadt ans Herz legen. Denn die Hauptstädter sind hilfsbereit und strahlen eine Wärme aus. Gegenüber jedem Kind. Da macht es nichts aus, wenn das Kind mal kurz jammert oder im Frühstücksraum des Hotels Krümel verteilt. Ganz auffällig waren die vielen Toiletten mit Wickelmöglichkeiten (auch auf den Männerklos!) und dass man stillen konnte, wo man wollte. Wenn das Kind es auch zuließ. Eintritt ist für Kids übrigens überall frei. Welche Orte sind passend für die Kinder? Für ganz Kleine das Aquarium, das Kindermuseum Junibacken, das Freilichtmuseum Skansen. Für Größere kommt dann noch der Tivoli hinzu. Und auch in anderen Museum, wie über Alfred Nobel, gibt es Spielmöglichkeiten für Kinder: Malecken, Knöpfe zum Draufdrücken. Gut ist dabei, dass dies alles sowohl Interesse der Eltern als auch der Kinder wecken und decken kann. 




Reise mit der Fähre:
Wir sind über Nacht nach Helsinki geschippert. Auf der hohen See hatten wir starken Wellengang - für mich nicht allzu prickelnd, das Kind schlief tief und fest. Auf der Fähre gab es Restaurants, Duty-Free-Shop und auch ein Kinderspielraum. Man bekommt die Kleinen beschäftigt, aber eine Kreuzfahrt mit Kind würde ich auf jeden Fall bleiben lassen. 



Helsinki / Finnland:
Helsinki ist für eine Hauptstadt wirklich sehr klein. Ich finde auch, dass es nicht allzu viele Entdeckungsmöglichkeiten gibt. Trotzdem lohnt es sich mal hinzugehen. Wir konnten uns nicht alles anschauen, was uns interessierte, denn im "Felsendom" wurde eine Hochzeit nach der anderen abgefertigt und auch in der russisch-orthodoxen Kirche wurde geheiratet. Was die Kinderfreundlichkeit angeht, ist Helsinki empfehlenswert, aber Stockholm ist doch noch eine Stufe höher. Anschauen mit Kindern kann man den Zoo, das Freilichtmuseum, SeaLife. Wir haben das nicht getan, da wir ähnliches schon in Stockholm unternommen hatten. Dafür waren wir auf der Insel und im DesignViertel unterwegs. Die Kleine machte das gut mit. Das größte Problem stellte die Sprache dar, wir waren glücklich darüber, dass alles nochmal in Schwedisch da stand, denn dies lässt sich leicht ableiten (Englisch und Deutsch) - und ein paar Worte kann ich sogar ;).


Tallinn / Estland:
Nachdem wir wieder eine dreistündige Überfahrt mit der Fähre genossen haben (mit Konzert), kamen wir in Tallinn an. Tallinn sollte man mal gesehen haben. Die Altstadt strahlt wirklich einen Flair aus, die Geschichte ist wirklich interessant und trotzdem modernisiert Tallinn das eigene Stadtbild. Allerdings finde ich sieht man der Stadt auf jeden Fall die sowjetische Besatzung an und auch die Armut vieler Esten lässt sich leicht erkennen. In der Stadt gab es hauptsächlich DixiKlos, sodass ich die Kleine lieber im Park wickelte. Das hört sich jetzt nach einem Luxusproblem an, aber daran erkennt man deutliche Differenzen zu den skandinavischen Staaten. Nachdem man mindestens 2 Tage die Altstadt erkundigt hat (hier sollte man nicht nur einen Tag einplanen, auch wegen der Öffnungszeiten vieler Museen und Kirchen), gibt es noch weitere Entdeckungsmöglichkeiten. Das Katharinenschloss mit der Außenanlage, den Wasserflughafen, den Fernsehturm. Wir hatten vom Wetter her leider nicht wirklich Glück, aber haben trotzdem versucht so viel wie möglich anzuschauen. Empfehlenswert ist übrigens das Knoblauchrestaurant, nur die Kinderstühle kämen hierzulande nicht durch den TÜV. Ebensowenig die Busse, die sind von Deutschland übernommen und laufen teils mit Wasser voll. Den Zoo möchte ich jedem ans Herz legen, der gerne gegen Tierhaltung protestiert: die Käfige sind eng und klein, und die Haltung nicht tiergerecht (Boden aus Beton, wenig Spielmöglichkeiten und Bewegungsfreiheiten, und auch die Anzahl der Tiere bedenklich). Hier erkennt man wirklich die Sowjetzeit. Teils werden Käfige mittlerweile erneuert und diese sind wirklich schön, aber das Geld fehlt um den Tieren schnellstmöglich ein neues Zuhause zu bieten. Wir waren wirklich sehr traurig beim Anblick dieses Zustandes und steckten damit auch unsere Kleine an. 





Rückflug:
Der Tallinner Flughafen ist sehr klein und gemütlich. Für die Kinder gibt es Spielecken zwischen den Gates. Und es ist, im Vergleich zu FFM, wirklich ruhig. Der Flug nach Riga war für uns eine krasse Erfahrung. In einer Bombardier zu fliegen? Eher nicht mehr.
Fazit: insgesamt war es ein wirklich familienfreundlicher Urlaub. Wir kamen sehr ausgeglichen zurück. Stockholm hat es uns besonders angetan. Eine wunderschöne, lässige Stadt, welche ich wirklich jedem ans Herz legen kann. Wir haben hier einen deutlichen Unterschied zwischen den Mentalitäten (Schweden - Deutschland) sehen können. Und ich hoffe, ich kann irgendwann mehr darüber berichten. Über die Familienpolitik dort und warum es dort so viele Kinder gibt im Vergleich zu hier. 

Herzlichst, eure urlaubsreife Ephrata

Ich habe heute kein Schnittmuster und auch keinen Stoff hinzugefügt. Stattdessen einige Fotos aus meinem Repertoire. Dies liegt an meinem knappen Zeitrahmen zurzeit und daran, dass ich unbedingt meinen Beitrag für "This is not okay" fertigstellen und abgeben möchte.

Dienstag, 18. August 2015

Andere Länder, andere Familienpolitik #5 [Spanien: Die Kompatibilität von deutschen Werten und der spanische Familie.]

Hier nun der letzte Bericht meiner tollen Urlaubsvertretung und lieben Freundin Ramona. Gut, wenn man Weltenbummler kennt. Allerdings möchte ich betonen, dass ich den Bericht trotzdem verfasst habe, und auch die Fakten recherchiert. Alles nach bestem Wissen und Gewissen. Und bis auf die Fakten sehr subjektiv. Es werden weiterhin Spanienberichte folgen. Das verspreche ich euch. Denn ich habe dort Verwandte und vielleicht recherchiere ich auch irgendwann mal wieder vor Ort. Hallo Sonne. Ich möchte dich auch ohne Lernen genießen. Hier die Fakten. 


Spanien hat eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa. 1,32 Kinder bekommt eine Frau durchschnittlich. Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise ist diese deutlich eingebrochen, allerdings laut FAZ nach fünf Jahren wieder um 0,1 Prozent gestiegen (Jahr 2014). Drei Hauptgründe sehen die Demographen für den Rückgang: die Furcht der potentiellen Mütter vor den finanziellen Unsicherheiten, vor allem einem Verlust des Arbeitsplatzes; die Rückkehr vieler Immigrantinnen in ihr Heimatland, weil sie in Spanien arbeitslos wurden (sie trugen bis dahin mit einem Anteil von einem Fünftel wesentlich zu der Stabilisierung bei); die Emigration junger Spanier(innen) ins Ausland auf der Suche nach einer Beschäftigung (FAZ, 2015). Im Durchschnitt bekommen Frauen in Spanien mit 31,8 Jahren ihr erstes Kind. Was angesichts der gestiegenen Lebenserwartung zwar nicht spät ist, im Bezug aufs Mutterwerden, was die Biologie angeht, aber schon. Die Wirtschaftskrise hat sich aber nicht nur auf die Geburtenrate, sondern auch auf die finanzielle Situation von Familien ausgewirkt, sondern auch auf das Armutsrisiko von Minderjährigen. Dieser Problematik nahm sich auch die Regierung an, welche "am 3. Dezember 2013 den Aktionsplan für soziale Inklusion 2013-2016 (Plan de Acción para la Inclusión Social [PNAIN]) verabschiedet(e)" (Europa.eu, 2015). Mit dem PNAIN soll neben der finanziellen Situation von Familien auch die Inklusion gestärkt werden. Auch am Bildungswesen wurden im Zuge der Finanzkrise Einsparungen vorgenommen. Dies ist besonders deshalb als kritisch zu bewerten, da circa 25% der Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen und die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50% liegt (vgl. Taz.de, 2012). Das spanische Schulsystem gliedert sich in drei Blöcke. Davor können Kinder ab null Jahren in einer escuela infantil oder guardia unterkommen. Dort werden Kinder auch vorgeschult. Teils bekommen sie eine Fremdsprache beigebracht. Danach beginnt die eigentliche Schule, welche verpflichtend ist. Die Kleinkindbetreuung sehen viele Spanier nicht gerade als die familienfreundlichste. So ist sie mit dem Arbeitsmarkt unvereinbar, zeitlich gesehen. Auch die Familienpolitik kommt, trotz Initiativen wie der Babyprämie, im Vergleich zu anderen Politikfeldern zu kurz. So gehen "gerade mal ein halbes Prozent (der spanischen) Wirtschaftskraft  (an) die Familienpolitik, so wenig wie (in) kein(em) andere(n) Land in Europa" (Deutschlandfunk, 2007). Allerdings steht die Familienpolitik auch im Kontrast zur Selbstverwirklichung der Frau, welche mittlerweile die freie Entscheidung hat, was sie in ihrem Leben erreichen möchte. "Früher wurden die Frauen nur darauf hin erzogen: heiraten und Kinder kriegen. Heute ist das anders" (Deutschlandfunk, 2007).


Ist es das wirklich? fragte ich Ramona, welche gerade wieder auf Menorca als AuPair arbeitet. 

Bei "ihrer" Familie auf jeden Fall. Denn derzeit warten Kind 3+4 in Mamas Bauch. Bereits zwei Kinder sind ein  überdurchschnittlicher Beitrag zur Geburtenrate. Aber vier?! Mittlerweile ein Phänomen. Vor einigen Jahren noch nicht. Und trotz vier Kindern kann sich die Mutter selbstverwirklichen, der Vater nimmt sich dafür zurück, was für ihn nicht schlimm ist, für seine Eltern, welche den Machismo noch in Ehren halten, schon. Man muss dabei aber bedenken, dass die Mutter aus Deutschland stammt. 

Ramona meinte allerdings, dass dieses Zurückstecken für Männer mittlerweile nicht mehr als allzu gravierend gesehen wird. Denn dadurch können sie Zeit mit den Kindern verbringen, was sie auch gerne möchten. Insgeheim leiden sie aber trotzdem an der getauschten Versorgerrolle. Dass die Frau alles bezahlt, und auch den Ton angeben darf, konkurriert eben doch mit der Machomentalität und kratzt am Selbstbewusstsein .
Dadurch, dass die Mutter deutsche Wurzeln hat, erzieht sie ihre Kinder auch autoritärer als viele ihrer benachbarten Familien. Sie diskutiert Probleme aus, verwöhnt ihre Kinder nicht mit jeglichen Süßigkeiten und erklärt ihnen auch, was Bildung für das spätere Leben bedeutet und dass es sich lohnt zu lernen und gute Leistungen zu erzielen. Dies soll nicht bedeuten, dass dies spanische Eltern unterlassen. Ramona hatte deshalb die Aufgabe, mit den Kindern Deutsch zu sprechen. Aber spielerisch, damit die Kleinen nicht auch im Sommer in die Sommerschule müssen. Dies ist das "Ferienangebot" der Schulen, da die Urlaubszeit im Sommer noch drei Wochen länger als hier ist. Die Devise lautete: mit Spaß und Neugierde von selbst und fürs Leben lernen. Und alles erklären, was die Kinder interessiert. 

Und da ich leider meinen Interviewbogen verlegt habe, belasse ich es für heute bei dem Statement. Denn ich bin der Meinung, dass Kinder beim Spielen so viel mehr lernen als nur durch autoritäres Dahergefasel. Und dass man diese Neugierde auch immer beibehalten sollte, anstatt zu sagen: "Ist halt Fakt!" (Es tut mir leid, liebe Ramona. Ich hole den zweiten Teil nach!) 

Herzlichst, eure zerstreute Ephrata. 


Schnittmuster: Shirt SimplySummer von Schaumzucker in Größe 98 / 104
Stoff: Submarine und Ringeljersey in rot und weiß von Lillestoff 

Das Kimono Tee von MariaDenmark ist ja momentan der Hit. Auch ich habe es schon oft genäht, denn es geht super schnell und ist wirklich anfängertauglich. Als ich dann vor zwei Wochen gesehen habe, dass es einen ähnlichen Schnitt auch für kleine Mäuse gibt und zwar mit Möglichkeit zum Verlängern kaufte ich diesen gleich. Denn mein Mann war der Meinung, dass Kind braucht auch "normale" Kleidung. Und auch wenn ich die Ottobre Schnitte liebe, fehlte mir ein ganz schlichtes Shirt mit Potential zum Mehrmalsnähen. Außerdem sind mir mittlerweile Doppelgrößen und Papier- statt Folienschnittmuster lieber. Ich habe es dieses Mal ganz schlicht gehalten, denn Submarine ist großgemustert, farbenfroh und ich finde das braucht nicht noch mehr Schickimicki. Ich habe zurzeit ja auch nur wenig Zeit für das Nähen übrig. Trotzdem war ich wahnsinnig fröhlich, mich nach der Lernerei auch mal kurz an die Maschine zu setzen und ein Produkt, welches uns allen sehr gut gefällt, innerhalb kürzester Zeit und ohne großes Trara und Verzweifeln in den Händen zu halten. Gebraucht hat es allerhöchstens eine Stunde. Schätze ich. 
Ihr werdet diesem Schnitt ganz sicher wieder begegnen. Zumindest auf meinem Blog. Und zwar mit ein wenig mehr Varianz. Und hoffentlich auch mit besseren Fotos.


Quellen:
"Weniger Krise. Mehr Kinder" von Leo Wieland, auf FAZ.net, erschienen am 23.06.2015, Zugriff am 10.08.2015
"Spanien spart sich Bildung" von Reiner Wandler, auf Taz.de, erschienen am 18.04.2012, Zugriff am 10.08.2015
"Spanien: unterstützung von familien und kindern, aktive inklusion" auf europa.eu, letzte Aktualisierung  am 29.06.2015, Zugriff am 10.08.2015 
"Kinderarm und kinderfeindlich", von Hand-Günter Kellner, auf Deutschlandfunk.de, erschienen am 10.08.2007, Zugriff am 10.08.2015

Dienstag, 11. August 2015

Andere Länder, andere Familienpolitik #4 [Irland: I´ve got my travelling done]

Wieder ein Bericht meiner lieben Ramona. Weil die Tage leider nicht mehr Stunden haben, ich meinen Schlaf derzeit brauche und sowohl Kind, als auch Studium und andere Verpflichtungen warten. Die Begründung habe ich euch ja geliefert. Aber nicht mehr lange, dann ist der Wahnsinn vorbei. Mit jedem wöchentlichen Bericht nähern wir uns dem Ende. Heute also Irland. Untermalt mit einem kleinen Nähwerk, welches ich mir nicht nehmen lassen wollte und wie immer zuerst den Fakten. 


Irland, die grüne Insel, ist gemeinsam mit Island, Frankreich und Schweden Spitzenreiter Europas, was die Geburtenrate pro Frau angeht. Knapp 2 Kinder bekommt eine Familie durchschnittlich. Im Vergleich Deutschland: 1,4, welches am unteren Ende erscheint. Betont werden muss hierbei, dass es sich in Irland um ein "natürliches Bevölkerungswachstum" handelt, also die Geburtenrate kaum durch Zuwanderung positiviert wird. Traditionell erzieht in Irland die Mutter die Kinder, diese Traditionen hängen mit der katholischen Kirche zusammen und änderten sich seit der Finanzkrise in Irland zugunsten der arbeitenden Bevölkerung. Schon im Zuge des "Keltischen Tiger(s)"  wurden Frauen für die Erwerbstätigkeit aktiviert, damit der Arbeitskräftemangel in Irland kompensiert werden konnte. Trotz dieser sozioökonomischen Veränderung gelten die Frauen weiterhin als Erzieherinnen. Denn die Kinderbetreuung wurde bis heute kaum ausgebaut. Dies liegt unter Anderem an den sozialen Einschnitten in Folge der Finanzkrise, denn zuvor wurden Kinderrechte in der irischen Verfassung verankert. Lediglich drei- bis vierjährige Kinder können Teilzeit in einer Vorschule untergebracht werden. Kinderbetreuungskosten stellen in Irland ein Armutsrisiko dar. Die Kosten liegen weitaus höher als im EU-Durchschnitt (für ein Kind circa 250-300€ / Woche).  Die OECD kritisiert die familienpolitischen Leistungen Irlands: die Frauenerwerbsquote ist zu niedrig, die Kinderbetreuung zu schlecht ausgebaut, die traditionelle Familienpolitik bietet keinen Anreiz für die Erwerbstätigkeit von Frauen. 
Doch es gibt auch Anreize Kinder zu bekommen, wie zum Beispiel ein universelles Kindergeld. Allerdings wurde das Höchstalter dafür auf 16 beziehungsweise 18 Jahre begrenzt. Ab dem dritten Kind bekommen Familien mehr Kindergeld. Auch wird Mutterschafturlaub gewährleistet, allerdings bekommen Mütter lediglich 26 Wochen bezahlten und 16 Wochen unbezahlten Urlaub. Danach gibt es keinen Anspruch auf Elternzeit oder Vaterschafturlaub. Des Weiteren wurde die Kleinkindbetreeungszulage abgeschafft. Die schnelle Rückkehr zu Familienleistungen wird für Irland nicht erwartet. Stattdessen fördert der Rückgang der Leistungen das traditionelle Modell beziehungsweise Betreuung außerhalb der Möglichkeiten, welche der Staat bietet (dazu unten mehr). Und trotz kleiner Einschnitte in der Geburtenrate steht Irland weiterhin an der Spitze. Nach Island. 


Woran liegt das? Ramona konnte einige Antworten finden. Für sich selbst. Für uns.
1.) Die meisten Eltern sind in einer Großfamilie aufgewachsen. Sie kennen also das Leben mit Geschwistern und Gleichaltrigen und möchten dies auch für die eigenen Kinder.
2.) Die Familien arbeiten bei der Kindererziehung zusammen. Und helfen sich gegenseitig.
3.) Die Mutter in Irland wird noch geschätzt, wie oben bereits erwähnt sogar staatlich.
4.) Die Kinder sind in der Gesellschaft erwünscht. Selbst in Pubs gibt es Hochstühle.
5.) Die Kinder haben Natur um sich. Eine grüne Insel. Sie wachsen mit Kühen, Schafen, etc auf. Idyllisch.
6.) Die meisten Erwachsenen besitzen große Häuser (und zahlen diese ab) aufgrund des Bau- und Wirtschaftsbooms. Wie kann man ein Haus besser füllen als mit Spielsachen?
7.) Und die Eltern haben sich in den wilden 20-30er Jahren selbst verwirklicht. Nach dem Motto "I've got my travelling done". Ramona meinte, sie kenne kaum einen Iren, welcher nicht im Ausland war und ein wenig die Welt und sich selbst entdeckte. Nach der Selbstverwirklichung kommen dann die Kinder. Mit großem Glück. Während anderswo viele für immer danach suchen.
(In Internetforen fand ich noch einen achten Punkt. Die katholische Tradition, welche Verhütungsmittel kaum gestattet (späte Einführung dieser und hoher Preis). Auch Abtreibung gilt generell als verboten)


Doch sieht sie auch hier staatliche und familiäre Probleme und Chancen, welche ich nun ein wenig erläutern möchte.
1.) Laut Ramona ist die Kinderbetreuung katastrophal. In Crashkursen lernen viele schlecht ausgebildete Frauen den Beruf Erzieherin.
2.) Das ist der Grund warum Au Pairing in Irland tief verwurzelt ist. Lieber eine Betreuerin für das eigene Kind, welche man kontrollieren kann. Allerdings werden diese als Familienmitglieder angesehen (Platz genug ist dafür da)
3.) Auch der Markt hat sich auf dieses Prinzip eingestellt. So gibt es spezielle Autoversicherungen für AuPairs.
- Viele Mütter müssen mittlerweile arbeiten. Aufgrund der Wirtschaftskrise und der Anzahlung von den großen Häusern.
4.) Bei der Kindererziehung zieht aber immer noch die ganze Familie an einem Strang. Diese hat traditionell einen hohen Stellenwert. Ramona nannte das liebevoll Türpolitik: die Türen sind für alle und immer offen. So kann es auch mal sein, dass man nach hause kommt und jemand sitzt an der Bar und schlürft einen Kaffee.


An der vollen Selbstverwirklichung der Frau bzw. Mutter hegt Ramona jedoch Zweifel. Denn ist travelling wirklich done? Vermisst eine Frau nicht ihre Autonomie? So nutzen die Frauen auch gerne mal die frei gewordene Zeit für sich, welche der AuPair ihnen einräumt -  was nicht unbedingt verwerflich, aber erwähnenswert, ist. Die Mutter stemmt trotz Arbeit (mindestens Teilzeit) noch den Hauptanteil der Erziehung. Doch dafür, dass sie arbeiten geht, wird sie von der lieben Schwieger- und Mutter verteufelt, denn gute Mütter bleiben zuhause und erziehen die Kinder. Ich finde das klingt doch etwas nach Deutschland. 


Und um zu diesem Punkt zu kommen, folgt wie immer, ein kleiner Vergleich: Irland versus Deutschland.
1.) in Irland stehen Familie ziemlich alleine da. Zum Beispiel bei der Kinderversorgung und Finanzierung. Dafür haben sie wie bereits erwähnt einen Markt für alternative Familienunterstützung.
2.) in Deutschland wird sich gerne über die Familienpolitik beschwert. Dabei geht es uns vergleichsweise gut. Ramona meinte dazu: "wenigstens haben wir qualifizierte Kitas. Da sind die Wartezeiten doch erst einmal egal."
3.) in Deutschland kann die Mutter die Möglichkeit der Elternzeit wahrnehmen. In Irland geht eine Frau schnellstmöglich wieder arbeiten.
4.) die irischen Eltern sind nicht so karrieregeil und leistungsbezogen. Den Job hat man hier hauptsächlich wegen der Sicherheit. Auch klassische Berufe, wie Verkäuferin, werden hier gerne gelernt und gesellschaftlich anerkannt. 

So sieht Ramona irische Frauen übertrieben gesagt vor einem Zusammenbruch. Es ist eben nicht alles Gold was glänzt. Man kann nicht die perfekte Mutter, perfekte Frau und perfekte Arbeitnehmerin / -geberin sein. So findet man langfristig kein 100prozentiges Glück. In Deutschland ist es eher anerkannt, dass sich eine Frau auch mal ein bis zwei Stunden für sich nimmt um sich neben Beruf und Kind auch noch auf sich zu konzentrieren. 


Herzlichst, eure Ephrata 

Schnittmuster: Olive Star in Größe 98 aus der Ottobre 03/2014
Stoff: Jersey "Ahoi, Mister Fuchs!" von Cherry Picking

Kurze Information zum Genähten (da ich glaube, dass die meisten von euch deshalb hier landen). Das Olive Star Kleid habe ich schon einmal genäht und sowohl die Kleine, als auch ich, lieben es. Als ich den Stoff in der Hand hielt, wusste ich sofort, dass es dieses Schnittmuster werden würde (ein Matrosenkleid war mein Gedanke). Genäht ist es ratzfatz, mit Belegen und Framilonband. Die Größe ist für einen Ottobre Schnitt nahezu stimmig. In anderen Kleidern dieser Größe geht die Minnie wirklich unter, dieses ist auch noch groß, hält aber dafür länger. In der Ottobre gibt es einen T-Shirt Schnitt aus den gleichen Schnittteilen ("Star Snap"). Diesen werde ich euch sicherlich auch bald zeigen. Im Kopf habe ich schon etwas geplant. Im Übrigen ist die Ottobre 03/2014 irgendwie mein Favorit unter meiner Ottobre-Sammlung. In ihr sind Schnittmuster enthalten, welche schlicht und schick zugleich sind.

Quellen:
"Familienpolitik in der Wirtschafts- und Finanzkrise - Lehren aus dem internationalen Vergleich" von Silke Bothfeld, Sebastian Hübers und Sophie Rouault, S. 69-80, Dezember 2010
"Unser Vorbild sei Island" von Reiner Klingholz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 41/ Februar 2005, S. 39 (Online abrufbar),

Dienstag, 4. August 2015

Andere Länder, andere Familienpolitik #3: [Griechenland. Kinder um jeden Preis?]


Die nächsten Wochen berichtet meine beste Freundin Ramona ein wenig von ihren AuPair-Erfahrungen im Ausland. Welche zwei anderen Länder sie bereiste halte ich geheim, aber es wird eine spannende "Urlaubsvertretung". Und da sie dieses Jahr wieder ein wenig umhergeistert, werden wir auch nach den Ferien wieder mal etwas von ihr hören (evtl. sehen wir sie auch mal?). Heute spricht sie über ihre Erfahrungen in einer wohlhabenden Familie in Athen, welche aus zwei Schulkinder und selbstverständlich den Eltern bestand. Ich möchte, wie immer, betonen, dass lediglich eine Familie behandelt wird und der Bericht aus subjektiven Eindrücken besteht. 


Zuerst natürlich wieder ein paar Fakten:
Familienpolitik gewann in Griechenland erst in den 80ern an Bedeutung. Man verstand sie als Bevölkerungspolitik, sowie "Präventivpolitik gegen die weitere demografische Überalterung der Population" (Nitis, 1988). So wurden nach und nach Familienzulagen für Alleinerziehende, Familien mit Kindern in Ausbildung, sowie Erwerbstätige Eltern geschaffen. Auch für eine Lohnausgleichszahlung in der Schwangerschaft und Mutterschaft wurde gesorgt. Für kinderreiche Familien wurden ab dem dritten Kind weitere Zulagen, hier hauptsächlich Geld, gewährleistet. Auch eine Mütterrente wurde eingeführt (ab dem dritten Kind, an den Mindestlohn angepasst). Des Weiteren wurde eine Art Betreuungsgeld eingeführt, welches bis zum dritten Lebensjahr des Kinder 34.000 Drs. betrug. Auch in Betrieben genossen Eltern einen besonderen Schutz. Seit 1974 gilt die in der griechischen Verfassung Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Aufgrund dieser wuchs auch der Frauenanteil unter den Erwerbstätigen. Bei der Betreuung älterer Menschen übernimmt die Familie einen Großteil der Arbeit. Auch wenn der Trend vom starken Familienzusammenhalt zur urbanen Familie wandelt  (Vgl. Nitis, 1998). Seit der Krise ist die Geburtenrate in Griechenland rasant eingebrochen (sie ging seit 2008 um 15% zurück. Die Fertilitätsrate liegt bei 1,4 Kindern pro Frau), auch die Zahl von Totgeburten stieg an. "Kinderkriegen ist ein Luxus, den sich nur noch wenige Griechen leisten können". Und auch die Abwanderung junger Menschen führt zu einer niedrigeren Geburtenrate (Vgl. Höhler, 2014). Des Weiteren gibt es keine umfangreiche Sozialhilfe mehr, verarmte Schwangere bekommen keine regelmäßigen Untersuchungen und keine ausreichende Versorgung. Auch die Geburt an sich lässt viele Griechen in die Schuldenfalle tappen. Eine Besserung zurück zun Wohlfahrtstaat scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Dies alles lässt vermuten, dass die demografische Situation in den kommenden Jahren noch weitaus schwieriger wird, als sie es jetzt schon ist.


Ramonas Familie konnte sich diesen Luxus leisten und noch weitaus mehr. Sie landete in Athen in einer Familie, welche nicht dem allgemeinen Standard einer Familie dort entspricht. Wohlhabend, mit zwei Kindern, welche darauf getrimmt wurden Deutsch zu lernen um an die Deutsche Schule in Athen zu gehen. Klar, es ging um die gute Bildung, welche die Kinder Griechenlands durch die Krise nun auch vermehrt brauchen und man möchte ja das Beste für die Kinder. Allerdings wurde es in dieser Familie so gelebt, dass Ramona es nicht wirklich als das Beste empfand. Leistung um jeden Preis. 


Die Aufgabe Ramonas war es, den Kindern Deutsch beizubringen, am Besten natürlich fehlerfrei und auf Muttersprachniveau, denn eigentlich dürfen auf Deutsche Schulen Muttersprachler, welche ins Ausland zogen. Dass die Eltern selbst kein Wort dieser Sprache kannten und die Kinder es auch sonst nirgends lernten, lassen wir mal außen vor. Belohnungen gab es in Form von materiellen Zuwendungen, aber auch Bestrafungen wenn beispielsweise bei der Vokabelabfrage schon die Artikel der, die, das falsch verwendet wurden. Selbst wir Deutschen verwenden teils unterschiedliche Artikel (der / die Butter, die / das Nutella) und können auch deren Anwendung nicht wirklich begründen. Während es im Englischen einfach gemacht wird, ist es im Spanischen, bis auf die Ausnahmen, logisch und bei uns? - entbehrt es jeglichen Verstandes. Der Vorschlag Ramonas, das Lernen etwas spielerisch anzugehen, wurde abgelehnt, da er laut Meinung der Familie nicht pädagogisch wertvoll war. 


Auch sonst hatten die Kinder kaum Freizeit. Während die Eltern gemeinsam mit Freunden in der Taverne saßen, durften die Kinder auf der Straße spielen. Unternehmungen, welche Kindern entsprachen und nur der Familie zugute kamen, wurden nicht geplant. Die Quality time zwischen Eltern und Kindern fand vor dem Fernseher statt. 

In einer Mittelstandsfamilie eines befreundeten Au Pair gab es wurde die Gemeinschaft der Familie allerdings gepflegt. So wurde gemeinsam gegessen und auch am Wochenende gab es Unternehmungen, welche nur der Familie gehörten. Hier sieht man also, dass es natürlich von der Familie abhängt. Allerdings sah Ramona dies auch in dem Bekanntenkreis ihrer Gastfamilie, also in weiteren wohlhabenden. 



Als ich sie nach der Rolle der Frau fragte, meinte sie, dass ihre Gastmutter alle Aufgaben an andere deligierte. Sie war keine Mutter-Mutter, sondern hatte für alles eine Person im Haus. Eine Erzieherin, eine Putzfrau, etc.

Insgesamt sieht sie den Aufenthalt aber trotzdem positiv, da sie auch außerhalb der eigenen Familie viel über das Land und die Bevölkerung lernen darf. So fiel ihr Fazit eigentlich recht positiv aus: "Ich bin ein unglaublicher Freund der griechischen Familie, allerdings nicht der Delegation". 

Im Vergleich zu Deutschland meinte sie, dass:
1.) Athen an den falschen Ecken spare. Vor allem an der Bildung. Staatliche Schulen dort bilden sprachlich nicht genügend aus. Wer kann schickt seine Kinder auf die Privatschule.
2.) Bildung wird nicht belohnt, lediglich die Beziehung. Hier herrscht  Vetternwirtschaft- anstatt Leistungsprinzip.
3.) Der hellenische Familienbund ist wesentlich stärker als der deutsche. So werden Senioren beispielsweise nicht ausgegrenzt und man begegnet ihnen mit Würde, Respekt und Anstand.
4.) Die Familiengründung beginnt wesentlich früher als in Deutschland. 

Herzlichst, eure Ephrata



Schnittmuster: Kapuzenjacke Block Stripes in Größe 98 aus der Ottobre 01/2015 - etwas aufwendiger mal, aber ich habe es mir zugetraut und wurde nicht enttäuscht. Nur das Bündchen an der Kapuze habe ich (aus Versehen) weggelassen. Außerdem möchte ich ja immer besser werden. Wer übrigens einen ähnlichen Schnitt für Damen kennt, her damit. Ich beneide meine Kleine nämlich etwas ;-)
Stoffe: Fire(wo)man, rot-weißer und blau-weißer Ringeljersey von Lillestoff, sowie blaues Bündchen aus Renningen

Quellen:
"Demografie: Griechenlands wahre Zeitbombe" von Gerd Höhler auf Handelsblatt.com, Zugriff am 01.08.2015
 "Alterssicherung in Griechenland: eine institutionelle, empirische und sozio-ökonomische Analyse"von Sotirios Nitis, S.51-57, erschienen 1988

Ab damit zu CreaDienstag, Kiddikram und Meitlisache.

Samstag, 1. August 2015

Dreiteilung und kurze Pause.

Jetzt haben wir sie wieder, beziehungsweise sie mich: die Stresssituationen, vor welchen wir entkommen wollten. Die Kita macht Urlaub, das Studium nähert sich der nächsten großen Prüfung, der Haushalt kann nicht warten (das Chaos wird auch größer, wenn der kleine Hüpfer immer da ist). 

Vereinbarkeit ist kaum gegeben. Darunter wird / darf in erster Linie der Blog leiden. In zweiter wird es die Familie und vor allem die Beziehung. Denn wenn der eine lernt, spielt der andere Entertainer, und andersherum. Drei Wochen wird dies nun gehen. Warum die Kita gerade drei Wochen Sommerurlaub macht... Aber sie haben es sich verdient. Diejenigen, die Zeit und Geld haben um den Urlaub zu genießen. Und auch unsere lieben Erzieherinnen.

Nach den drei Wochen, fange ich an, dem Burn Out und Lampenfieber beziehungsweise der Prüfungsangst entgegenzukämpfen, eine Prüfung abzulegen und dann bin ich hoffentlich wieder zu 100% für meinen Blog und euch Leser da. Neben den anderen Dingen, aber eben wieder vermehrt.

Ich werde es wohl nicht unterlassen können, meine Nähmaschine hin und wieder in Gang zu bringen und auf das Pedal zu drücken. Es wird aber langsamer und weniger intensiv werden. Vielleicht zwei Projekte pro Woche, vielleicht nur eins, und vielleicht auch mal gar keins. Wahrscheinlich auch nur kleine, ohne große Kommentare. Oder ich lasse andere zu Wort kommen. Am Dienstag schaffe ich es zum Beispiel noch einmal.

Ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür. Auch wenn ich liebend gerne meinen Blog nach der Familie und Freunde an dritter Stelle sehen würde, beziehungsweise hauptsächlich das Nähen, ein bisschen Sicherheit brauche auch ich. Und dank dieser Sicherheit werdet ihr auch des Öfteren mit der "Familienpolitik" belästigt.

Ich hoffe, ihr bleibt mir auch in der Zeit treu. Und drückt mir die Daumen. So viele ihr könnt. Sodass wir alle dies heil überstehen!

Herzlichst, eure Ephrata


PS: Es warten so viele Stoffe darauf vernäht zu werden. Vor allem nach der Shoppingorgie in einem empfehlenswerten Laden in Renningen (siehe Foto). Danke Mama und Oma, die mich hier sponserten. Und nein, es wird nicht nur blau und grün werden. Auch ein wenig rot liegt in der Wäsche herum!

PSS: September bis Oktober sind Semesterferien. Das wird eine Zeit, in welcher meine Nähmaschine ins Schwitzen kommen wird.