Montag, 6. Juli 2015

Das Leben mit dem Besonderen.

Als Katharina von Sonea Sonnenschein mir freitags, kurz nach null Uhr schrieb, dass sie meinen Beitrag veröffentlicht hatte, schaute ich gerade, neben dem Vorbereiten einer Wimpelkette, Markus Lanz. Ich schaute es sogar bis zum Ende, denn da erschien die Geschichte von Pflegeeltern, welche den kleinen Tim mit Down Syndrom nun schon 18 Jahre begleitet haben (Mehr dazu hier!). Dies hat sich mit dem Abendprogramm zusammengefügt, denn wie viele von euch sicherlich schon wissen, hat Sonea, die kleine Tochter von Katharina auch das Down Syndrom. Deshalb fragte ich sie freitags an, ob ich ihr im Gegenzug zu meinem Beitrag eventuell auch einige Fragen stellen dürfte und sie sagte kurzerhand zu.


1. Im Untertitel von Markus Lanz stand, dass 8 von 10 Frauen, welche ein Kind mit Down Syndrom erwarten, abtreiben. Wie hast du dich auf Sonea vorbereitet und davon erfahren, dass sie auch Down Syndrom hat?

Vorbereiten konnte ich mich nicht, denn es hat ich einen Tag der Soneas Geburt eiskalt erwischt und mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Aber nur kurzzeitig.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Auffälligkeiten in der Schwangerschaft (da war ein Softmarker bei der Feindiagnostik) nicht ausreichten, um einen Verdacht auf das Down-Syndrom zu erhärten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Ärztin in der 29. SSW noch einmal einen genaueren Verdacht hatte (sie war irgendwie ruhiger bei der Untersuchung und sehr ernst, das machte mich unruhig und hinterließ ein besorgtes, nervöses Gefühl in mir), aber ich bin wirklich sehr froh, dass sie nichts gesagt hat. Ich war alleine bei dieser Untersuchung, bekam eine CD mit ganz vielen kurzen 3D-Videos mit und es hätte auch nichts geändert, außer dass die Vorfreude gewichen wäre und statt dessen Angst und Traurigkeit geblieben wäre. 
Nach Soneas Geburt war ich dann auch sehr traurig. Ich trauerte um das Kind, von dem ich wochenlang geträumt habe, als ich es noch unter meinem Herzen trug. Zukunftsvisionen verpufften, wie graue Wölkchen. 

In der Anfangszeit halfen uns vor allem die wunderbaren Fotobücher von Conny Wenk und ein Internetformum zum Down-Syndrom und dann der Kontakt zu anderen Familien. 

Die Ängste und Sorgen legten sich und auch die Trauer wich. Wir waren glücklich mit unserem Kind, sind es auch heute noch. Natürlich ist mein Kind ein bisschen anders und trotzdem ist sie so, wie ich sie mir immer vorgestellt habe - voller Leben, ein großes Herz, eben ein richtiger Sonnenschein.


2. Tims Eltern betonten immer wieder, dass er ein Kämpfer sei, schon von Anfang an, schließlich habe er neun Stunden - ohne Versorgung nach einer Abtreibung zu einem kritischen Zeitpunkt -  überlebt. Würdest du Sonea auch als Kämpferin bezeichnen?

Sonea ist durch und durch eine Kämpferin, wie die Romanfigur, nach der wir unser Kind damals benannt haben. Sie ist unglaublich willensstark und ein absoluter Mittelpunktsmensch. Ich hoffe, sie behält sich diese Stärke für immer. 

Gesundheitlich musste sie zum Glück noch nie ernsthaft kämpfen. Sonea hat weder einen Herzfehler, noch sonstige organische Beeinträchtigungen. 


3. Wie stehst du allgemein zu Abtreibungen?

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich mit erhobenen Zeigefinger hinstellen und über Menschen urteilen, die ein Kind abtreiben, egal in welcher Woche. Glücklicher Weise war ich nie in der Situation eine solche Entscheidung treffen zu müssen, also bin ich auch gar nicht berechtigt mir ein Urteil zu bilden. Wenn mich heute jemand fragt wie ich mich entschieden hätte, wenn ich in der Schwangerschaft von Sonea oder auch von Vincent erfahren hätte, dass sie oder er behindert sei, sage ich immer ganz klar, dass ich diese Frage nicht beantworten kann, da ich eben nie in der Situation war eine solche Entscheidung treffen zu müssen. 

Grundsätzlich finde ich es aber immer sehr traurig, wenn ich von einer Spätabtreibung aufgrund eines Down-Syndroms höre. Und auch die pränatale Abtreibungsquote finde ich erschreckend (aber auch bezeichnend für unsere Gesellschaft). Das ist mitunter einer der Hauptgründe, der mich zu meiner Rubrik "Mein Leben mit dem Besonderen" bewegt hat. 


4. Was würde dir fehlen, wenn Sonea nicht da wäre. Beziehungsweise was schätzt du an ihr am meisten?

Alles. Sonea ist so eine unglaublich starke Persönlichkeit, voller Charakter, voller Liebe und voller Leben. Sie wäre durch nichts und niemanden ersetzbar und auch niemals wegzudenken.


5. Was würdest du gerne in diesem Land ändern bezüglich der Familienpolitik?

Dass unsere Familienpolitik generalüberholungsbedürftig ist, sieht man ja alleine schon an der niederschmetternden Geburtenrate. Deutschland ist kein kinderfreundliches Land. Erwachsene Menschen, die noch nicht einmal ein einfaches "Hallo" zustande bringen, wenn ein Kind sie grüßt und Kinderlärm als belästigend empfinden. Ein kurzer Besuch in unsere Nachbarländer zeigt, dass das ein Defizit ist, das Deutschland auszeichnet. 

Als Mutter eines behindeten (und eines nicht behinderten) Kindes wünsche ich mir aber vor allem, dass sich etwas in der Bildungspolitik ändert, dass Inklusion nicht mehr zu einem Problem wird, sondern völlig selbstverständlich gelebt werden kann. Denn Inklusion ist für alle da, nicht nur für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Und sie ist unglaublich wichtig - für uns alle.

Vielen Dank.



2 Kommentare:

  1. Liebe Ephrata,
    ich komme erst jetzt dazu, mit dir Kontakt aufzunehmen. Dein Eintrag hat mich berührt. Ich bin selbst Familienmensch und bin entsetzt, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Wir hatten das Glück, das unsere behinderte Tochter eine Integrationsklasse besuchen konnte, damals war es noch ein Modellversuch. Es ist ein steiniger Weg, aber es lohnt sich, diesen zu beschreiten.
    Herzliche Grüße Elisabeth

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  2. Hallo Elisabeth,

    Ich persönlich bin froh, dass ich mich bisher bei Sophie nicht mit dem Thema auseinander setzen müsste (sie ist ein gesundes Kind). Aber ich denke, da es jeden von uns treffen kann, sollten und MÜSSEN wir uns mit dem Thema Inklusion auseinander setzen. Ich sehe es aber teilweise noch gespalten, da bei uns im Ländle ja der Fall war, dass es ein Kind gab, welches unbedingt aufs Gymnasium sollte, da dort seine Klassenkameraden hingehen. Förderschulen werden hier mittlerweile etwas schlecht dargestellt. Aber seit der Aufhebung der Grundschulempfehlung ist es hier allgemein etwas "schwieriger". Unsere Kleine ist in einer Kita mit einer Inklusionsgruppe, das finde ich super, denn so kann sie auch von diesen Kindern lernen. Ausschluss finde ich schrecklich, allerdings bin ich dafür, dass man jeden Fall einzeln betrachten muss. Ich weiß, ein erheblich bürokratischer Aufwand. Aber Kinder sollten es wert sein angemessen betreut zu werden. Nicht jede Schule ist bisher auf Inklusion vorbereitet. Dies muss man auf jeden Fall weiter vorantreiben, aber ich denke überfallartig bringt niemandem was ;-)

    Ja das mit dem Entsetzen verstehe ich gut. Entsetzt bin ich nicht, für mich das falsche Wort. Aber enttäuscht. Und deshalb ist mein Blog überhaupt entstanden, weil ich Familien und Kinder mal wieder ins Blickfeld rücken möchte. Und auch die verschiedenen Modelle. Ich hoffe, dass es vielleicht ein wenig bewirkt.

    Herzliche Grüße, Ephrata

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