Mittwoch, 23. September 2015

Die Kunst, zu helfen und dabei auch auf sich zu achten.

Dieser Text fällt mir nicht leicht. Das gestehe ich gleich. Denn ich liebe es zu helfen, aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir all das nicht so vorgestellt habe und ich auch von Freunden vorgewarnt wurde, mich nicht zu übernehmen. Und es stimmt. Aber was soll man machen? Das habe ich mich gefragt? Was soll ich machen, wenn in einer Großstadt mit einer riesigen Strukturschwäche ehrenamtliches Engagement nicht bzw. kaum gefördert wird und nicht koordiniert?




Man fängt Projekte an. Im Kleinen. Sie wachsen und gedeihen (hoffentlich). Dabei gehe ich jetzt auf meine Tätigkeiten kurz ein: so begann ich am Montag in der Kleiderkammer auszuhelfen, zu schreiben, was genau dort fehlt, zu überlegen, wie man helfen kann, usw. Meine Mützen der simplify your fabric Aktion waren am Mittwoch nach Kleiderausgabe bis auf eine nicht mehr im Regal vorzufinden. Und so habe ich beschlossen mich weiterhin auf diese zu konzentrieren. Sie raubt mir am wenigsten Zeit, und ich sehe sie kommt gut an. Nebenbei fiel mir auf, dass Rucksäcke fehlen. In unserer Kommune. Also eröffnete ich eine Sew A Smile Aktion für die Kommune hier. Obwohl ich die Aktion sehr schätze, finde ich die Kommunikation trotz web2.0 wirklich nicht die Beste. Aber ihr macht das top, macht bitte alle weiter. Ich nähe, organisiere weiter, aber in einem reduzierten Ausmaß, denn manchmal hilft es zu sagen: hey mir wird das zu viel. Kann jemand anderes noch helfen? Ich werde weiter nähen (25 SmileBags sind schon zugeschnitten, eine größere Aktion geplant) und ein wenig koordinieren. Denn jede SmileBag ist eine wunderbare Art, Willkommen zu sagen. Ich ziehe mich aber auch zurück, weil ich merke, dass bei uns anderswo noch mehr Not am Mann ist (Gesamte Koordination, und das Aufzeigen, dass jeder helfen kann). Steine ins Rollen bringen, Aktionen ins Leben rufen und sich dann zurückziehen, wenn man merkt, dass es ohne einen geht. Das ist irgendwie mein Credo geworden - mich dabei auf einige "Aktionen" konzentrieren. 



Direkt in der Kleiderkammer wurde ich auf Deutschkurse angesprochen. Ich suche also verzweifelt nach Menschen, die mit Händen und Füßen Deutsch beibringen und drückte dem jungen Syrer erst einmal ein Kinderbuch in die Hand um ein paar Worte zu lernen. Ich weiß, eine dämliche Art und Weise Deutsch zu lernen, aber unsere Kinder machen es doch auch so, und er freute sich über die Idee. Wenn ich niemanden finde, werde ich versuchen ein bisschen mit ihm zu kommunizieren. Ich bin nicht ausgebildet, ich denke aber, dass alles funktionieren kann, wenn man nur möchte.

Das Gleiche gilt für uns ALLE. Mit Freunden habe ich abends über die Problematik in der Stadt gesprochen. Und ein Freund meinte, "wie kann ich eigentlich helfen? Das frage ich mich." Und ich habe gesagt: "mit Kleinigkeiten." Wenn jeder eine Kleinigkeit macht wird daraus Großes. Man muss sich nicht überladen und in ein Konkurrenzdenken bei der Hilfe verfallen. Man muss nicht 100 SmileBags nähen, und 1000 Mützen und dann noch Kurse geben. Manchmal reicht es auch, ein Haargummi zu spenden, damit Kleider besser in die Heime transportiert werden können, oder einen Kontakt zu vermitteln, manchmal reicht eine Puppe für das Kind oder ein paar Worte Deutsch, wie "Guten Mittag". Und was immer hilft, ist ein Lächeln. Ein Lächeln mit welchem man sagt: du bist hier willkommen. 



Wahrscheinlich schreibe ich mir die Worte gerade selbst. Aber es betrifft viele Helfer, manche sind erschöpft (man kann kaum abschalten, das merke ich immer wieder, wenn ich mit Menschen spreche. Ich denke oft an die Personen zurück, an das, was sie wohl so erlebt haben und erleben und an all die Aktionen. (Und manchmal denke ich: "man haben wir kleinliche Probleme".) Auch diejenigen, welche es beruflich machen, wie Polizisten sind erschöpft. Und auch (oder vor Allem) die Flüchtlinge sind erschöpft. Ich wünsche mir einfach nur, dass jeder eine Kleinigkeit gibt, damit Großes entstehen kann. Und dass dies nicht an einigen wenigen hängen bleibt. Wobei ich das befürchte, vor Allem weil Helfen derzeit wirklich ein Hype ist - wir brauchen mehr Glitzer in der Welt.

Herzlichst, eure Ephrata (die sich wirklich viele Gedanken zurzeit macht)


Schnittmuster: CuddleMe von Schaumzucker in der Größe S
Stoff: Glitzersweat in Schwarz von Lillestoff

Eigentlich ist meine CuddleMe schon seit einer Woche fertig, Das ging ja auch wirklich schnell. Nur wellt sie sich, aber nicht allzu schlimm - mich stört es nicht. Zum Fotografieren komme ich nicht in letzter Zeit. Ich stelle dies derzeit auch hinten an. Das gebe ich ehrlich zu. Ich hatte wahnsinnig viele Pläne für die Semesterferien. Mittlerweile mache ich erfüllendere Aufgaben als den Großputz. Ich habe einige Nähwerke fertiggestellt. Ich verspreche, ihr seht bald mehr. Aber bis dahin versuche ich ein kleines Glitzern in die Augen mancher Menschen zu zaubern.

8 Kommentare:

  1. Super schön! Und es steht dir sehr gut an! Dieses Schnittmuster muss ich mal probieren. Liebe Grüsse aus Spanien!

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    1. Danke, es ist wohl eines der beliebtesten Schnittmuster des Jahres. Ich glaube bei mir fällt es wesentlich größer aus, als bei anderen (ich bin so klein). Aber es ist ein kurzes Projekt. Ich kann es nur empfehlen. Liebe Grüße aus dem regnerischen Deutschland!

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  2. Danke für diesen ehrlichen und emotionalen post.
    Deine stimmungsvollen Fotos passen dazu.
    LG
    Wiebke

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    1. Danke Wiebke,

      Für deine Worte. Ja die Kulisse war auch beruhigend. Da müssten solche Fotos sein. ;-)
      LG Ephrata

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  3. Toller Post, alle Achtung.... und ehrenwertes Engagement! Ich bewundere Euch alle, die so viel Zeit opfern können! VG Lotta

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    1. Hallo Lotta,

      Zeit haben und sich nehmen ist immer so eine Sache. Ich habe gerade Semesterferien und 6 Stunden am Tag frei. Da bleibt genug Zeit übrig. Gerade weil ich Nähen eh liebe passen die Projekte sowieso. Ich denke, wenn man Projekte gerne macht, passt das alles. Und ich glaube jeder hat Gaben, die er/sie/es nutzen kann. Ich bin gespannt, wie es wird, wenn das Studium weitergeht. Wobei auch dann möchte ich zwei Tage die Woche aushelfen. Es ist so wichtig! Anderes muss dann eben ein wenig leiden, dann wird halt mal nicht gebügelt. Was soll's. Ich denke, man kann sich alles ganz gut einrichten und auch verbinden. Dann nimmt man eben Flüchtlinge mit in den Zoo, wenn das Kind und man selbst eh gehen wollte und spricht dabei ein paar Worte Deutsch. Man muss da nur mal ein wenig flexibler werden. LG. Ephrata

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  4. Hach, da braucht man gar nichts mehr weiter schreiben. Danke.

    Ganz liebe Grüße
    Sarah

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    1. Danke dir! Und ich war schon ängstlich, diesen Post überhaupt zu veröffentlichen
      ;-).

      Liebe Grüße an dich! Ephi

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