Dienstag, 4. August 2015

Andere Länder, andere Familienpolitik #3: [Griechenland. Kinder um jeden Preis?]


Die nächsten Wochen berichtet meine beste Freundin Ramona ein wenig von ihren AuPair-Erfahrungen im Ausland. Welche zwei anderen Länder sie bereiste halte ich geheim, aber es wird eine spannende "Urlaubsvertretung". Und da sie dieses Jahr wieder ein wenig umhergeistert, werden wir auch nach den Ferien wieder mal etwas von ihr hören (evtl. sehen wir sie auch mal?). Heute spricht sie über ihre Erfahrungen in einer wohlhabenden Familie in Athen, welche aus zwei Schulkinder und selbstverständlich den Eltern bestand. Ich möchte, wie immer, betonen, dass lediglich eine Familie behandelt wird und der Bericht aus subjektiven Eindrücken besteht. 


Zuerst natürlich wieder ein paar Fakten:
Familienpolitik gewann in Griechenland erst in den 80ern an Bedeutung. Man verstand sie als Bevölkerungspolitik, sowie "Präventivpolitik gegen die weitere demografische Überalterung der Population" (Nitis, 1988). So wurden nach und nach Familienzulagen für Alleinerziehende, Familien mit Kindern in Ausbildung, sowie Erwerbstätige Eltern geschaffen. Auch für eine Lohnausgleichszahlung in der Schwangerschaft und Mutterschaft wurde gesorgt. Für kinderreiche Familien wurden ab dem dritten Kind weitere Zulagen, hier hauptsächlich Geld, gewährleistet. Auch eine Mütterrente wurde eingeführt (ab dem dritten Kind, an den Mindestlohn angepasst). Des Weiteren wurde eine Art Betreuungsgeld eingeführt, welches bis zum dritten Lebensjahr des Kinder 34.000 Drs. betrug. Auch in Betrieben genossen Eltern einen besonderen Schutz. Seit 1974 gilt die in der griechischen Verfassung Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Aufgrund dieser wuchs auch der Frauenanteil unter den Erwerbstätigen. Bei der Betreuung älterer Menschen übernimmt die Familie einen Großteil der Arbeit. Auch wenn der Trend vom starken Familienzusammenhalt zur urbanen Familie wandelt  (Vgl. Nitis, 1998). Seit der Krise ist die Geburtenrate in Griechenland rasant eingebrochen (sie ging seit 2008 um 15% zurück. Die Fertilitätsrate liegt bei 1,4 Kindern pro Frau), auch die Zahl von Totgeburten stieg an. "Kinderkriegen ist ein Luxus, den sich nur noch wenige Griechen leisten können". Und auch die Abwanderung junger Menschen führt zu einer niedrigeren Geburtenrate (Vgl. Höhler, 2014). Des Weiteren gibt es keine umfangreiche Sozialhilfe mehr, verarmte Schwangere bekommen keine regelmäßigen Untersuchungen und keine ausreichende Versorgung. Auch die Geburt an sich lässt viele Griechen in die Schuldenfalle tappen. Eine Besserung zurück zun Wohlfahrtstaat scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Dies alles lässt vermuten, dass die demografische Situation in den kommenden Jahren noch weitaus schwieriger wird, als sie es jetzt schon ist.


Ramonas Familie konnte sich diesen Luxus leisten und noch weitaus mehr. Sie landete in Athen in einer Familie, welche nicht dem allgemeinen Standard einer Familie dort entspricht. Wohlhabend, mit zwei Kindern, welche darauf getrimmt wurden Deutsch zu lernen um an die Deutsche Schule in Athen zu gehen. Klar, es ging um die gute Bildung, welche die Kinder Griechenlands durch die Krise nun auch vermehrt brauchen und man möchte ja das Beste für die Kinder. Allerdings wurde es in dieser Familie so gelebt, dass Ramona es nicht wirklich als das Beste empfand. Leistung um jeden Preis. 


Die Aufgabe Ramonas war es, den Kindern Deutsch beizubringen, am Besten natürlich fehlerfrei und auf Muttersprachniveau, denn eigentlich dürfen auf Deutsche Schulen Muttersprachler, welche ins Ausland zogen. Dass die Eltern selbst kein Wort dieser Sprache kannten und die Kinder es auch sonst nirgends lernten, lassen wir mal außen vor. Belohnungen gab es in Form von materiellen Zuwendungen, aber auch Bestrafungen wenn beispielsweise bei der Vokabelabfrage schon die Artikel der, die, das falsch verwendet wurden. Selbst wir Deutschen verwenden teils unterschiedliche Artikel (der / die Butter, die / das Nutella) und können auch deren Anwendung nicht wirklich begründen. Während es im Englischen einfach gemacht wird, ist es im Spanischen, bis auf die Ausnahmen, logisch und bei uns? - entbehrt es jeglichen Verstandes. Der Vorschlag Ramonas, das Lernen etwas spielerisch anzugehen, wurde abgelehnt, da er laut Meinung der Familie nicht pädagogisch wertvoll war. 


Auch sonst hatten die Kinder kaum Freizeit. Während die Eltern gemeinsam mit Freunden in der Taverne saßen, durften die Kinder auf der Straße spielen. Unternehmungen, welche Kindern entsprachen und nur der Familie zugute kamen, wurden nicht geplant. Die Quality time zwischen Eltern und Kindern fand vor dem Fernseher statt. 

In einer Mittelstandsfamilie eines befreundeten Au Pair gab es wurde die Gemeinschaft der Familie allerdings gepflegt. So wurde gemeinsam gegessen und auch am Wochenende gab es Unternehmungen, welche nur der Familie gehörten. Hier sieht man also, dass es natürlich von der Familie abhängt. Allerdings sah Ramona dies auch in dem Bekanntenkreis ihrer Gastfamilie, also in weiteren wohlhabenden. 



Als ich sie nach der Rolle der Frau fragte, meinte sie, dass ihre Gastmutter alle Aufgaben an andere deligierte. Sie war keine Mutter-Mutter, sondern hatte für alles eine Person im Haus. Eine Erzieherin, eine Putzfrau, etc.

Insgesamt sieht sie den Aufenthalt aber trotzdem positiv, da sie auch außerhalb der eigenen Familie viel über das Land und die Bevölkerung lernen darf. So fiel ihr Fazit eigentlich recht positiv aus: "Ich bin ein unglaublicher Freund der griechischen Familie, allerdings nicht der Delegation". 

Im Vergleich zu Deutschland meinte sie, dass:
1.) Athen an den falschen Ecken spare. Vor allem an der Bildung. Staatliche Schulen dort bilden sprachlich nicht genügend aus. Wer kann schickt seine Kinder auf die Privatschule.
2.) Bildung wird nicht belohnt, lediglich die Beziehung. Hier herrscht  Vetternwirtschaft- anstatt Leistungsprinzip.
3.) Der hellenische Familienbund ist wesentlich stärker als der deutsche. So werden Senioren beispielsweise nicht ausgegrenzt und man begegnet ihnen mit Würde, Respekt und Anstand.
4.) Die Familiengründung beginnt wesentlich früher als in Deutschland. 

Herzlichst, eure Ephrata



Schnittmuster: Kapuzenjacke Block Stripes in Größe 98 aus der Ottobre 01/2015 - etwas aufwendiger mal, aber ich habe es mir zugetraut und wurde nicht enttäuscht. Nur das Bündchen an der Kapuze habe ich (aus Versehen) weggelassen. Außerdem möchte ich ja immer besser werden. Wer übrigens einen ähnlichen Schnitt für Damen kennt, her damit. Ich beneide meine Kleine nämlich etwas ;-)
Stoffe: Fire(wo)man, rot-weißer und blau-weißer Ringeljersey von Lillestoff, sowie blaues Bündchen aus Renningen

Quellen:
"Demografie: Griechenlands wahre Zeitbombe" von Gerd Höhler auf Handelsblatt.com, Zugriff am 01.08.2015
 "Alterssicherung in Griechenland: eine institutionelle, empirische und sozio-ökonomische Analyse"von Sotirios Nitis, S.51-57, erschienen 1988

Ab damit zu CreaDienstag, Kiddikram und Meitlisache.

2 Kommentare:

  1. Liebe Ephi!
    Ich lese immer wieder gerne deine Berichte und Texte!
    Die Kapuzenjacke ist dir wirklich gut gelungen...!
    Liebe Grüße
    Bibi

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    1. Hallo Bibi,
      Das beruht auf Gegenseitigkeit. Aber es freut mich, dass dir sowohl Texte, als auch Nähwerk gefallen. Manchmal fehlt auf Blogs ja doch das Feedback, trotz vieler Seitenaufrufe. Aber wenn dann hin und wieder ein Kommentar aufleuchtet, freut mich das umso mehr! 😊

      Liebe Grüße.
      Ephi

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