Zurzeit bin ich im Nähfieber. Es vergeht kein Tag ohne die Nähmaschine, außer ich bin wirklich den ganzen Tag weg und selbst dann schneide ich nachts noch zu und schaue dabei irgendeinen Quatsch an oder höre die Musik unserer Nachbarn mit und wippe dabei im Takt - außer ich will schlafen. Dann werde ich mürrisch, bekomme vom Bass Aggressionen und versuche zu denken: hey sie sind Studenten wie wir. Sie sollen Spaß haben. Nur dumm, wenn dieser Spaß auf Kosten meines Schlafes geht und meine Tochter dreimal mehr durch das Babyphone nach der Mama weint. Aber es ist wohldosiert, nur zweimal bis dreimal pro Woche. Also nicht einmal 50%. Und wer weiß, wie wir als Nachbarn so sind? Wenn die Kleine auf meinen Stöckelschuhen durch die Wohnung "tapst", wenn sie einen Trotzanfall hat, wenn der Thermomix auf der Turbostufe Kleingehacktes erstellt oder die Waschmaschine schleudert? Und was ist mit meiner Overlock, die nach langem Stillleben, vor sich hinrattert - trotz Ölens. Wer weiß, was unsere "Untermieter" von uns denken?
Warum sind wir so intolerant, habe ich mich da gefragt? Und warum drehen wir uns wie kleine Helikopter immer nur um unsere kleine Welt? Warum öffnen wir uns nicht dem Neuen? Wir haben nicht nur Helikoptereltern, wir haben Helikoptermieter, Helikopterhausbesitzer, Helikopterstammkneipengänger, Helikoptercafetrinker, Helikoptergäste, Helikopterdeutsche. Wir drehen uns um das, was scheinbar uns gehört und wollen es nicht teilen. Und selbst wenn ein unbekanntes Objekt in unsere Gegend schwirrt passt es uns nicht rein. Man könnte auch sagen: alles meins!
Mein Mann meinte dazu, das ist Biedermeier(isch). Andere würden es als spießig bezeichnen. Viele als rechts und nazideutsch oder rassistisch. Manche schieben es gleich auf alle Konservativen, die den Status quo erhalten wollen. Einige sagen auch, es sind eben die Ossis oder Assis. Mir ist egal, was es ist - aber okay ist es nicht. Und auch nicht unserer Welt angepasst.
Wir, die froh sind, keinen Reisepass mehr beantragen zu müssen und einfach schnell in ein Flugzeug zu steigen (Flugzeug. Nicht Helikopter) um abends an einem Südseestrand zu liegen. Wir, die sich glücklich schätzen dürfen, es binnen Sekunden zu erfahren, dass in China ein Sack Reis umgefallen ist oder Kim Kardashian sich einen neuen Lippenstift gekauft hat. Wir, die Twitter, Facebook, Skype nutzen um uns weltweit zu vernetzen. Wir, die Mode aus Bangladesch kaufen und iPhones aus China. Diese Seiten der Globalisierung schätzen wir. Ist es nicht paradox, wie wir denken? Und dann kreisen wir um unser Zuhause, haben Angst um den Werteverfall unseres Hauses und um die Blumen in unserem Garten?
Wenn wir diesen Menschen in unserem Abenteuerurlaub begegnen ist das alles schön, aber wehe sie kommen uns zu nah. Sie sollen lieber auch Helikopter bleiben und um ihre kleine - heile - Welt kreisen, anstatt ins Flugzeug um sich zu vernetzen?
Vielleicht sind es wir, die sich ändern sollten. Und zwar Ganz und nicht Halb. Wir sollten alle zu Flugzeugen werden. Zu einem Sammelpunkt der Kulturen, Hautfarben, Religionen - ohne erste, zweite und dritte Klasse. Und wir sollten alle hinreisen dürfen, wo wir wollen und nicht auf unsere paar Quadratmeter in unserer Heimat pochen. Die Erde gehört niemandem von uns, auch mit Bauvertrag und Grundbesitz nicht.
Herzlichst, eure Ephrara
Schnittmuster: Alegra von Milchmonster in Größe 38
Stoff: Me von Lillestoff. Glitzerviskosejersey in dunkelgrau über AllesFürSelbermacher
Endlich habe ich dieses Projekt anfangen und beenden können. Das Schnittmuster habe ich vor Wochen gekauft, den Stoff Me auch. Und ich habe beschlossen Stoffe ab jetzt immer ganz zu vernähen, sodass keine Reste mehr übrig bleiben - im Sinne von simplify your fabric. Deshalb seht ihr schon das zweite Projekt aus dem Stoff. Ich habe noch ein drittes auf dem Tisch liegen und ein paar Beanies sind auch entstanden. Abgerundet ist die Alegra mit goldenen KamSnaps und schwarzem Bündchen. Ich habe die Größe 38 gewählt, weil mir bei meiner Martha die Ärmel in 36 zu eng sind (ich behaupte mal, es sind Muskeln vom Kartons schleppen) und ich möchte ja auch mal einen dicken Pulli oder so darunter anziehen. Ich bin zufrieden mit der Wahl. Die Alegra kommt ja mit vier Kragenversionen daher und ich bin mir sicher, dass auf meine erste auch noch welche folgen werden. Denn auch wenn es auf den ersten Blick aufwendig und kompliziert scheint, auf den zweiten Blick - also fertig genäht - hat es sich gelohnt.