Freitag, 18. September 2015

Kinderland, Deutschland?!

Schon die Überschrift des Spiegels, beziehungsweise Spiegel Online, empfand ich als total verfehlt: "Hier ist Deutschland Kinderland", mit Verweis auf die Landkreise, in welchen "viele" oder weniger Kinder geboren werden. 


Aber wie kann Deutschland nur in einigen Regionen Kinderland sein. Entweder es ist insgesamt Kinderland, oder eben keins?! Und wenn man die Abweichungen von 1,6 Kinder pro Frau als kinderfreundlich bezeichnet, während der Durchschnitt bei 1,4 liegt - ist das dann ein gravierender Unterschied? Als "kinderreiche Region" definiere ich dies nicht. Beginnt Kinderreichtum mittlerweile schon bei 1,6 Kindern / Frau, welche nicht mal den natürlichen Bevölkerungszuwachs generieren? Meine Mutter bezeichnet sich als reich, kinderreich, nicht vom Geldsegen her. Sie hat vier Kinder. Ich würde kinderreich prinzipiell mit einer Großfamilie ab fünf Kindern (eher höher, wie man es aus Filmen kennt) gleichsetzen, in heutigen Zeiten ab drei. "Ab dem dritten Kind bleibe ich zuhause" meinte eine Freundin von mir. Und das finde ich verständlich. Familienmanagement gestaltet sich manchmal schon mit einem Kind als äußerst schwierig, mit zwei wird es noch einmal komplizierter, aber drei?! Ab drei Kindern hat man auch die Geburtenrate, welche man für ein natürliches Bevölkerungswachstum benötigt (2,1), überschritten. 


Die Studie allerdings lässt viele Komponenten außen vor. Sie beschäftigt sich zwar mit Landkreisen, und der Autor schließt daraus, dass es in ostdeutschen Kreisen etablierter ist, dass Beruf und Familie vereinbar ist und Frauen Berufen auch gerne nachgehen. Deshalb sei die Kleinkindbetreuung das Heilmittel um mehr Kinder zu bekommen. Gut, dass der Westen Deutschlands, was die Betreuungsquote angeht, jetzt nachzieht. Aber ist dies wirklich alles? 
 
Nicht beachtet werden die Kinder, welche aus Zuwanderungsfamilien stammen. Ich habe oft den Eindruck, dass diese mehr Kinder bekommen. Die Frauen bleiben zwar oft zuhause. Aber das sehe ich bei drei Kindern plus als nicht gravierend an. Zuwanderung steht im Kontrast zum natürlichen Bevölkerungszuwachs, bringt also eine Verzerrung der Ergebnisse mit sich. 

Kritisiert werden kann auch, dass Studienstädte nicht gesondert betrachtet werden. Akademiker bekommen weitaus später Kinder, nicht allzu viele Studenten gebären während ihres Studiums (auch wenn es sie gibt, ich bin da ein Beispiel). Leben in Tübingen insgesamt 85000 Einwohner, wovon knapp 30000 studieren, wirkt sich dies negativ auf die Geburtenrate aus. Allgemein werden in ländlichen Regionen mehr Kinder geboren als in Städten. 


Es liegt teils auch die Vermutung vor, dass sich die Religion und der familiäre Zusammenhang auf die Geburtenrate auswirken. Als Kinderparadies wird der Landkreis Cloppenburg bezeichnet. In einem Interview las ich aber auch, dass hier die Mutter als Familienmanagerin noch wertgeschätzt wird. Ein Volksvertreter des Landkreises meint, dass Frauen hauptsächlich arbeiten gehen, um Lob und Anerkennung zu bekommen. Und man deshalb auch den Wert der Familie wieder höhergewichten sollte. Würde dadurch mehr Kinder geboren werden? 

Ein weiterer Grund könnte auch die Wertschätzung von Männern sein. Oftmals lese ich, dass der Lohn eines Mannes wieder zur Familienernährung reichen muss. Und dass dieser, falls es zu einer Trennung von der Familie kommt, trotz Vollzeitstelle nicht auf Hartz4-Niveau leben darf, weil er weiterhin die Versorgung seiner Kinder garantiert. Würde eine Reform des Scheidungsrechts und die Lohnerhöhung (egal ob Mann oder Frau) zurück zum Alleinverdiener die Geburtenrate erhöhen?
Eventuell sind auch die hohen Kosten in einer Stadt (Miete, Lebenshaltungskosten) ein Faktor für die niedrigere Geburtenrate als auf dem Land. Sich in München eine Wohnung für eine Familie zu suchen stelle ich mir weder einfach, noch günstig vor. 

Die Anforderung der Mobilität und die Fragmentierung der Familie könnte sich ebenso negativ auf die Geburtenrate auswirken. Unsere Eltern wohnen lediglich 30 Kilometer entfernt, doch arbeiten sie alle. Es bedarf eines höheren Managements als noch vor einigen Jahren, als die Familie in einem Dorf wohnte und die Kinder gemeinsam aufziehen konnte. 

Ein weiterer Faktor sind die erheblichen Kosten, welche Kinder verursachen. Kinderbetreuung, Nahrung, Spielsachen, Kinderkurse, Kleidung, Krankenversicherung,...  Nicht jeder kann und / oder möchte sich dies leisten. 

Wie seht ihr das? Ab wann ist man kinderreich, an welchen Faktoren müsste man arbeiten, damit die Geburtenrate steigt oder hängt es tatsächlich nur von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ab? 

Herzlichst, eure Ephrata


Schnittmuster: LimeLemon in Größe 98 aus der Ottobre 01/2014
Stoff: LemonDots von Lillestoff und hellblaues Bündchen

Das Nähen ging mir richtig flott von der Hand. Seitdem ich meine geerbte Overlock richtig eingestellt habe, bin ich wesentlich schneller. Eigentlich dachte ich die Tunika wird sich als komplexes Schnittmuster darstellen, mit all den Falten an Rückenteil, Vorderteil und Ärmeln. Aber es ging einfacher als ich dachte und dass sogar, oh holdes Glück, ohne wirklich die Anleitung zu lesen. Was zwar schief gehen kann, aber dieses Mal habe ich es dem Schnitt angesehen. Vielleicht lernt man das immer mehr durch die Näherfahrung. Meiner Kleinen ist die Tunika viel zu groß, so trägt sie es als Kleid bis sie sicherlich 4 Jahre alt ist. Auch praktisch!

Quelle: "Familien in Deutschland: Hier ist Deutschland Kinderland" von Donya Farahani auf Spiegel Online, Zugriff am 15.08.2015 (Schon lange geplant, ich werde auch weiterhin familienpolitisch unterwegs sind, mit vielen Ausflügen - deshalb komme ich nicht zum Bloggen!)

Ab damit zu Freutag, Kiddikram und Meitlisache!

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